Annahmen im Vertrieb: Wie Esel entstehen und wie sie das verhindern können
Einleitung
Haben Sie schon einmal das englische Wort "Assume" gehört und darüber nachgedacht, wie es aufgeteilt werden kann? "Ass - u - me". Was im übertragenen Sinne bedeutet, dass Annahmen oft einen "Esel" aus "Ihnen" und "mir" machen. Ein humorvolles Wortspiel, das jedoch in der Welt des Vertriebs eine tiefere Bedeutung birgt. Unsere Kunden bekommen mehr und mehr Informationen frei Haus geliefert. Durch uns ebenso wie durch andere Quellen. Und vice-versa wir über unsere Zielkunden. Daraus ergeben sich regelmäßig Annahmen, die erfolgreichen Vertrieb unnötig erschweren.
Wissen Sie darüber Bescheid, können Sie darauf richtig reagieren. Bestenfalls bedeutet das, dass Sie im Gespräch mit potenziellen Kunden als kompetenter Gesprächspartner und Wegbegleiter erkannt werden. Und im Umgang mit ihrem Vertriebsteam als praxisnahe coachende Führungskraft.
Annahmen sind menschlich. Sich auf sie zu verlassen, kann geschäftlich und vertrieblich fatal sein!
Annahmen die garantiert ruinös sind
Der Kunde versteht schon
Oft nehmen Vertriebsmitarbeiter an, dass Kunden die Vorteile eines Produkts oder einer Dienstleistung bereits kennen. Stimmt das nicht, kann diese Annahme dazu führen, dass wichtige Informationen nicht erfasst werden oder der Wert Ihres Angebots falsch eingeschätzt wird.
Tipp: Fassen Sie Ihre Kundengespräche zusammen! Aktiv und gemeinsam mit dem Kunden. Mehrere Male während eines Termins. Alles, was dort nicht gesagt wurde, gibt es garantiert auch nicht in der Wahrnehmung Ihres Gegenübers. Das ist auch gleich ihre Checkliste, ob Sie alle relevanten Punkte kommentiert, beziehungsweise abgefragt haben.
Ich habe alle Information, um das richtige Angebot zu machen
Gratuliere, wenn dem so ist. Im B2B Bereich bedeutet das nämlich, dass sie einen mehrseitigen Aufsatz über ihren Kunden bereit haben. Den können sie, ohne offene Fragen zu hinterlassen jederzeit abrufen. Und ihr zukünftiger Kunde wird ihn auch genauso wie sie ihn geschrieben haben unterschreiben. Jede. Einzelne. Person. Des. Buying-Centers.
Tipp: Verschriftlichen Sie Ihr Wissen! Diesen Aufsatz sollte es idealerweise tatsächlich geben. Gerne als einzelne Notizen in Ihrem CRM. Aber klar erkennbar. Und zusammengeführt ergeben alle Notizen ein großes Ganzes, das Ihren Kunden beeindruckend klar und charmant ihr Angebot als einzige echte Alternative erkennen lässt.
Der Preis regiert
Glauben Sie wirklich, dass der Preis immer das entscheidende Kriterium ist? Kunden sind bereit, mehr für Einsparungen, bessere Ergebnisse, weniger Stress und ausgezeichneten Kundenservice zu bezahlen. Ebenso wie für Gütesiegel, reduzierte negative Publicity durch öffentliche Kritik oder Klagen, oder mehr positives Aufsehen durch gelungene, gelebte CSR.
Tipp: Zu teuer = zurück an den Start! “Zu teuer” bedeutet immer “Zurück an den Start”! Gerade im B2B Lösungsverkauf sollte Preis das letzte relevante Kriterium sein. Wenn Sie all Ihre Aufgaben im Vertriebsprozess richtig gemacht haben, ergibt sich der nämlich logisch aus den vorangegangenen Gesprächen und Analysen, und wird ihrer Kundschaft auch einleuchten. Wenn nicht, bedeutet das: „Zurück an den Start“, Hausaufgaben machen und sicherstellen, dass sie mit den richtigen Personen, im richtigen Unternehmen über die richtigen Dinge sprechen und vor allem die richtigen Fragen beantwortet bekommen haben!
Bewährtes funktioniert immer
Österreicher kennen ihn, den „Beamten-Dreisatz“. Also jene Worte, die wir in leicht nasalem Beamtenösterreichisch jedem unserer Volksdiener liebevoll in den Mund legen:
Des hamma immer so gemacht!
Des hamma no nie gemacht!
Da könnt jo a jeder kommen!
Im Vertriebs-Tagesgeschäft sind wir auch nicht davor gefeiht, nur allzu gerne den Alltag einziehen zu lassen. Und damit steht man im allgemeinen möglichen Veränderungen (andere Kunden, neue Technologien, andere Prozesse, etc.) reserviert gegenüber. Spätestens aber, wenn eine Strategie, die in der Vergangenheit funktioniert hat, mehrmals fehl geht, ist es Zeit, sie kritisch zu überdenken.
Tipp: Manchmal hält Bewährtes zurück! Jeder Vertriebsmitarbeiter hat Lieblings-Themen und -Arbeitsweisen – auch Sie! Vielleicht, weil Sie zu einem Thema die meiste Erfahrung oder das meiste Fachwissen angehäuft haben. Oder weil diese eine Strategie mit Ihren Kunden gut funktioniert. Gehen Sie ab und zu bewusst andere Vertriebswege. Lassen Sie sich von Ihren Kollegen, Fachmedien oder Coaches inspirieren.
Tipp zum Tipp: Manchmal ist Bewährtes einfach auch gut! Was funktioniert, funktioniert. Wenn das Ausprobieren neuer Dinge zum höchsten Arbeitsziel wird, vergeuden Sie eventuell wertvolle Akquise-Zeit.
Der Kunde hat sich entschieden
… einer jener Sätze, der mir persönlich als Vertriebsleiter immer Grauen und schlaflose Nächte bereitet. Vor allem wenn diese wichtigen Dinge fehlen: Unterschrift, Beauftragung, Projektbeginn, erste Teilzahlung. Gibt es das nicht, hat sich der Kunde nicht entschieden. Nicht endgültig. Oft gibt es dazu auch markante Nachsätze, die einem zu denken geben können. Meine persönlichen Highlights:
Wir warten nur mehr auf die zweite Unterschrift.
Das Budget wird bald freigegeben.
IT / HR / <Fachabteilung ihrer Wahl> prüft nur noch pro forma.
Tipp: Einkaufen ist ein Prozess, den Sie steuern! Um genau solche Fallen möglichst früh zu erkennen und zu entschärfen, gilt es, den Kaufprozess des Kunden zu verstehen und mitzugestalten. Wie das funktioniert, ist einen eigenen Artikel wert. Mindestens einen 😉.
Mehr Leads = Mehr Verkäufe
Die richtigen Leads bedeuten mehr Verkäufe – und da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn Thema, Problem, Lösungsbereitschaft und potenzieller Wert nicht zu ihrem Angebot passen, ist dieser Lead kein Lead. Im schlimmsten Fall ist er nur eine Einladung zum Kaffeekränzchen.
Tipp: Hektik? Achtung! Es kann durchaus gut und relevant sein, mehr Leads zu generieren. Meiner Erfahrung nach entspringt der Ruf nach mehr Leads oft nur der operativen Hektik, ausgelöst durch (prognostiziert) nicht erreichte Ziele. Und dann braucht es eventuell nicht mehr Leads. Sondern vielleicht andere Leads? Auf jeden Fall ein guter Zeitpunkt, um in sich zu gehen, alle Annahmen (!) zu überprüfen und vielleicht die eine oder andere Änderung in Erwägung zu ziehen.
Fragen, Mut und die richtige Vertriebs-Kultur
Gleichermaßen im Gespräch mit Kunden sowie im Team sind Fragen ein Werkzeug zur Verbesserung. Zur De-Eselifizierung. Es braucht Mut im Kundenkontakt und eine offene positive Kultur im Team.
Wie? Wann? Wer? Was? Warum? Was wenn (nicht)?
Der beste Weg, um Klarheit zu bekommen, ist das Stellen von Fragen. Verstehen Sie die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Kunden wirklich? Ihre potenziellen Kunden geben Ihnen gerne alle notwendigen Informationen.
Haben Sie jetzt sofort Unternehmen im Kopf, auf die das gar nicht zutrifft? Das ist ein guter Indikator für schlechte Chancen in diesen speziellen Vertriebsprojekten.
Jede Vertriebsphase hat ihre eigenen Fragestellungen. Dazu gibt es mehrere Bücher, die ich gerne empfehle und die Sie unten aufgelistet finden. Was mir persönlich genauso wie meinen Vertriebsmitarbeitern und Klienten immer hilft, ist zu wissen, wann welche Fragen wie beantwortet werden müssen.
Tipp: Termine ohne Ergebnisse sind wertlos! Ein Kundentermin ohne klares Ziel, ohne einem Set an Fragen, die beantwortet werden müssen, ist Ihre Zeit nicht wert. Und schon gar nicht die Ihres Kunden. Denn der echte Mehrwert, den sie damit generieren werden, ist gering.
Tipp zum Tipp: Ihre Rolle: Berater! Etablieren Sie sich und Ihre Rolle genau so! Als jemand der Fragen stellt, die (s.o.) Ihrem Kunden den einen oder anderen Aha-Moment bescheren. Damit schaffen Sie Wert für den Kunden und für sich eine Position als Partner, dem man sich anvertrauen kann.
Mut
Im Gespräch mit potenziellen Kunden gehört zum Fragen eine Sache ganz besonders: Mut. Mut auch einmal als penetrant rüberzukommen. Mut, nicht immer alles zu wissen. Um dann mit der richtigen Frage doch noch eben ein Aha-Erlebnis für den Gesprächspartner zu generieren.
Tipp: Es geht nicht darum, mit Wissen zu brillieren! Als gelernter Software-Engineer ist es mir persönlich ein Greuel, nicht alles zu wissen. Hilfreich dabei, trotzdem den Mut zu fragen zu haben, ist, sich vor Augen zu führen, dass es nicht um Ihr Wissen geht. Sondern um die Eigenheiten Ihrer Kunden. Und diese nicht abzufragen und ans Licht zu bringen, wäre grob fahrlässig. Für Ihren Kunden ebenso wie für Ihren Erfolg.
Kultur
Im Gespräch mit Ihrem Vertriebsteam braucht es hoffentlich weniger Mut – dafür mehr Kultur. Nämlich jene, die es Ihrem Team ermöglicht, Fragen als Werkzeug zur Verbesserung und damit zur Erreichung ihrer Ziele zu sehen. Wenn Vertriebsfälle gemeinsam analysiert werden, kritische Fragen als Unterstützung verstanden werden und Ihre Mitarbeiter:innen sich darum reissen als nächste einen kniffligen Vertriebsfall präsentieren zu dürfen, dann sind Sie auf dem richtigen Weg!
Tipp: Von Tauchern und Codern lernen! Wenn “vor der ganzen Gruppe stehen” eine Herausforderung für die Eine oder den Anderen darstellt, empfehle ich ein System, das sich sowohl im Tauchen wie im Coding gut bewährt hat: das Buddy-System. Wichtig ist dabei, ebenso wie im Meeting in dem gemeinsam Vertriebsfälle durchgesprochen werden, dass die Spielregeln klar sind. Form, und Inhalt. Fragen und mögliche akzeptable und nicht akzeptable Antworten, und die potentiellen nächsten Aufgaben, die sich daraus ergeben.
Tipp zum Tipp: Klarheit durch Listen! Das Erarbeiten der Liste an Fragen, Antworten und nächsten Action-Items ist schon ein guter Schritt in die richtige Richtung und kann viel Klarheit bringen!
Fazit
Esel entstehen durch Annahmen. Im Vertrieb. Und fast überall anders. Mit aktiver Kommunikation, Analyse und Weiterbildung können Sie sicher und faktenbasiert auf den Vertriebserfolg zusteuern.
Viel Erfolg!
Diskutieren Sie mit: Welche „Ass-u-me“ Fallen gibt es noch? In welche Fallen sind Sie im Vertrieb schon getappt oder haben andere dabei beobachtet? Und wie wurde der Weg heraus gefunden?
Mehr Einblick oder Unterstützung? Wenn Sie weitere Informationen oder Unterstützung bei der Umsetzung, der in diesem Artikel vorgestellten Ideen wünschen, freue ich mich, von Ihnen zu hören. Kontaktieren Sie mich jetzt!
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